Die ersten zwei Etappen ging es fast nur bergauf – jetzt geht es erstmal wieder bergab… Von der Capanna Adula fahren wir durch das herrlich schöne Val Carassin. Das ist allerdings so flach, dass wir ordentlich anschieben müssen während wir die Natur um uns herum genießen. Die Route führt uns irgendwann sogar erst durch einen Tunnel und dann durch einen Staudamm.
Nach der Staumauer ist auf der Sonnenseite schon wieder Schluss mit Schnee. Daher schnallen wir die Ski an die Rucksäcke und wandern runter ins Tal, wo es das erste mal seit Ewigkeiten ein kleines Restaurant gibt. Hier können wir auch unsere Essens-Vorräte auffüllen, da der Pausentag unsere Kalkulation über den Haufen geworfen hat. Am Abend gibt es Fussili Bianco (ohne alles 😀) gepimped mit Olivenöl und Parmesan auf’s Haus. Gut gestärkt schultern wir wieder unsere Rucksäcke inklusive Ski, um weiter zur Capanna Bovarina zu kommen. Bis zum ersten Schnee müssen wir nochmal eine Stunde wandern und auch weiter oben wird der Weg so schmal und schneearm, dass wir die Ski wieder tragen dürfen… Wir sind also ganz happy, als wir irgendwann dann doch mal die sehr schöne und helle Hütte erreichen, in der es dieses Mal sogar Strom und fließend Wasser, dafür aber keine Kaltgetränke gibt…
Am nächsten Tag stehen mit dem Paso Negro und dem Paso del Sol zwei Pässe plus Gipfeloption auf dem Programm. Ab der Hütte ist auch wieder genügend Schnee vorhanden, so dass wir die Ski unter die Füße schnallen können. Wir sind auch heute wieder die einzigen Skitourengeher weit und breit. Der frische Wind kommt außerdem von hinten und bläst uns quasi den Berg hoch. Auf der Rückseite vom Paso Negro hat genau dieser Wind allerdings auch dafür gesorgt, dass vom Schnee nicht mehr so viel übrig ist. So wird die Abfahrt runter zum Lukmanierpass zu einem kleinen Zwischenabenteur durch steile Rinnen, über grasige Stellen und quer durch einen Wald mit mehr oder weniger vorhandener Schneeunterlage…
Nach der Abfahrt ändert sich allerdings die Schneelage wieder komplett und wir haben herrliche Bedingungen für unseren Aufstieg zum Paso del Sol. Gemeinsam mit Martin entschließen wir uns sogar noch den Pico del Sol in Angriff zu nehmen, dessen Nordflanke eine herrliche Abfahrt verspricht – und sie auch hält! So summieren sich am Ende allerdings knapp 1800 Höhenmeter und 21km Strecke, als wir ziemlich erschöpft im letzten Winterraum der Capanna Cadagno ankommen. Dort genießen wir noch die letzten Sonnenstrahlen, die vorhandenen Kaltgetränke und die Duschmöglichkeit, wenn auch nur mit kaltem Wasser im Klo 🙂
Von der Capanna Cadagno starten wir am nächsten Morgen weiter, um mit dem Pizo del Tom noch einen letzten Gipfel zu erklimmen, bevor es weit runter ins Tal nach Airolo geht. Es weht kein bisschen Wind und da auch keine Vögel oder sonstiges zu hören ist, herrscht eine super friedliche Stimmung. Der letzte Rücken hinauf auf den Gipfel ist dafür nicht ganz so entspannt, wie er aussah, aber so haben wir uns den Gipfelschnaps auf jeden Fall verdient. Auch auf der Abfahrt finden wir nochmal herrlichen Schnee, bis sich auf ca. 1500 Meter Höhe das mit dem Schnee wieder erledigt hat. Also heißt es wieder Ski an den Rucksack und per pedes runter nach Airolo wandern.
Eigentlich sieht unsere Planung vor am selben Tag noch 1300 Höhenmeter hoch zur Capanna Cristallina zu steigen, aber irgendwie hat keiner von uns da wirklich Bock zu. Daher breiten wir uns auf der Terasse einer Pizzeria aus, gönnen uns gutes Essen und kaltes Bier und überlegen uns wie wir weitermachen.
Da Dominique und Moritz planmäßig ab Airolo aussteigen und das Wetter leider deutlich schlechter werden soll, entscheiden wir uns den zweiten Teil der Tour runter nach Locarno auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und uns einen Fleck mit besseren Bedingungen zu suchen. Unsere Schuhauswahl ist allerdings bedingt auf die unterwartete Zivilisation ausgerichtet…
Haute Route Ticino – es war herrlich, einmalig schön und sehr einsam – wir sind aber noch nicht ganz fertig mit dir… 🙂